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KI 2027: Sind deutsche Schulen bereit für die superintelligente Revolution?

2. September 2025

Die dramatischen Prognosen des AI Futures Project stellen unser Bildungssystem vor historische Herausforderungen

Während deutsche Schüler noch lernen, was der Unterschied zwischen Pixel- und Vektorgrafiken ist, prognostizieren führende KI-Forscher eine Zeitenwende, die alle bisherigen Revolutionen in den Schatten stellen wird. Das kürzlich veröffentlichte Szenario „AI 2027“ von Daniel Kokotajlo, Scott Alexander, Thomas Larsen, Eli Lifland und Romeo Dean zeichnet ein Bild der nahen Zukunft, das jeden Medienpädagogen aufhorchen lassen sollte.

Der Countdown zur Superintelligenz

Die Autoren des AI Futures Project, die ihr Dokument im April 2025 auf AI-2027.com veröffentlichten, prognostizieren einen beispiellosen Entwicklungssprung: Bereits im März 2027 soll der erste „Superhuman Coder“ entstehen – eine KI, die menschliche Programmierer nicht nur übertrifft, sondern schneller und kostengünstiger arbeitet. Bis Ende 2027 erwarten sie nichts Geringeres als „Artificial Superintelligence“ (ASI), ein System, das Menschen in allen kognitiven Aufgaben überlegen ist.

„Wir prognostizieren, dass die Auswirkungen übermenschlicher KI im nächsten Jahrzehnt enorm sein werden und die der industriellen Revolution übertreffen“, schreiben Kokotajlo und sein Team. Diese Einschätzung ist keineswegs Sensationsjournalismus – die Autoren haben eine beeindruckende Trefferquote bei KI-Prognosen und stützten ihre Vorhersagen auf umfangreiche Forschung und Expertengespräche.

Deutsche Lehrpläne: Zu langsam für die Realität?

Ein Blick in aktuelle deutsche Informatik-Lehrpläne offenbart eine beunruhigende Diskrepanz. Während sich Schüler der 10. Klasse in Sachsen mit den „Grundlagen Künstlicher Intelligenz“ und deren „gesellschaftlichen Auswirkungen“ beschäftigen, behandeln die Curricula KI noch als fernes Zukunftsthema. Die Themenauswahl reicht von „Smarthome und Internet der Dinge“ bis zu „Original, Zitat und Plagiat – KI Erkennungssoftware“.

Diese Herangehensweise mag vor zwei Jahren angemessen gewesen sein, doch angesichts der Prognosen des AI 2027-Berichts wirkt sie geradezu anachronistisch. Wenn bereits bis März 2027 KI-Systeme entstehen, die menschliche Entwickler ersetzen können, müssen wir unsere Schüler heute auf eine Welt vorbereiten, in der 25% der Remote-Arbeitsplätze bereits automatisiert sind.

Die Lücke zwischen Vision und Vorbereitung

Das AI 2027-Szenario beschreibt nicht nur technische Durchbrüche, sondern auch massive gesellschaftliche Verwerfungen: öffentliche Proteste gegen KI-Entwicklung, diplomatische Spannungen zwischen Nationen und eine Arbeitslosenquote, die um einen Prozentpunkt steigt. 20% der Amerikaner würden KI als wichtigstes Problem des Landes betrachten.

Deutsche Lehrpläne erwähnen zwar „Chancen und Risiken“ von KI, doch die Konkretheit und Dringlichkeit, mit der das AI 2027-Team seine Szenarien entwickelt hat, fehlt völlig. Statt abstrakten Diskussionen über mögliche Auswirkungen bräuchten Schüler heute konkrete Kompetenzen für den Umgang mit einer Welt, in der KI nicht mehr Zukunftsmusik, sondern Alltag ist.

Was deutsche Schulen jetzt tun müssen

Die Autoren von AI 2027 betonen ausdrücklich: „Wenn wir kurz vor der Superintelligenz stehen, ist die Gesellschaft keineswegs vorbereitet.“ Diese Warnung gilt besonders für unser Bildungssystem.

Drei zentrale Handlungsfelder kristallisieren sich heraus:

Erstens: Lehrpläne müssen die Geschwindigkeit der KI-Entwicklung widerspiegeln. Statt KI als eines von vielen IT-Themen zu behandeln, sollte sie als zentrale gesellschaftsverändernde Kraft verstanden werden, die alle Fächer durchdringt.

Zweitens: Schüler brauchen kritische Medienkompetenzen für eine Welt mit ubiquitärer KI. Das bedeutet nicht nur zu verstehen, wie KI funktioniert, sondern auch, wie man in einer von KI geprägten Informationslandschaft navigiert.

Drittens: Ethische und philosophische Bildung wird zentral. Wenn KI-Systeme bald menschliche Intelligenz übertreffen, müssen junge Menschen in der Lage sein, fundamentale Fragen über Menschlichkeit, Arbeit und Gesellschaft zu durchdenken.

Die Zeit drängt

Daniel Kokotajlo, der Hauptautor des AI 2027-Berichts, hatte bereits 2021 mit seinem Szenario „What 2026 Looks Like“ bemerkenswert präzise Vorhersagen getroffen. Seine aktuelle Prognose verdient deshalb besondere Aufmerksamkeit. Wenn er und sein Team recht behalten, haben deutsche Schulen weniger als zwei Jahre, um ihre Schüler auf eine Welt vorzubereiten, die sich grundlegend von der heutigen unterscheiden wird.

Das AI 2027-Szenario ist explizit als Prognose, nicht als Empfehlung zu verstehen. Doch gerade deshalb sollte es als Weckruf für unser Bildungssystem dienen. Die Frage ist nicht, ob diese Entwicklungen eintreten werden, sondern ob wir uns und unsere Kinder angemessen darauf vorbereiten.

Die Revolution kommt – die Frage ist nur, ob wir bereit sind.


Das vollständige AI 2027-Szenario ist unter ai-2027.com verfügbar. Eine vertiefte Auseinandersetzung mit den Prognosen und Methoden der Autoren Daniel Kokotajlo, Scott Alexander, Thomas Larsen, Eli Lifland und Romeo Dean lohnt sich für alle, die in der Bildung tätig sind.